Über juristische Fachkreise hinaus hat auch die breite Öffentlichkeit diskutiert , ob und wie das Abziehen des Kondoms beim Geschlechtsverkehr (sogenanntes Stealthing) strafbar sein könnte. Auch das Bewusstsein über die mögliche Strafbarkeit dürfte dazu führen, dass vermehrt Personen wegen eines solchen Vorwurfs zu Beschuldigten werden. Das Phänomen „Stealthing“ ist in den vergangenen Jahren immer wieder Thema in den Medien geworden. Und auch Strafgerichte mussten sich bereits mit dieser neuen Problematik befassen.
Das heimliche Abstreifen oder Weglassen eines Kondoms während des Geschlechtsverkehrs trotz anderer Absprache ist nicht in einem gesonderten Straftatbestand geregelt. So vertreten deutsche Gerichte auch unterschiedliche Meinungen zur Strafbarkeit des Stealthing. Zuletzt musste nun der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden, ob Stealthing ein Sexualdelikt in Gestalt des sexuellen Übergriffes gemäß § 177 Abs. 1 StGB darstellt oder nicht.
Beim Vorwurf eines Sexualdelikts ist schnelles Handeln geboten. Es droht nicht nur eine strafrechtliche Verurteilung, sondern auch ein erheblicher Schaden an der eigenen Reputation. Unsere erfahrenen und spezialisierten Strafverteidiger im Sexualstrafrecht unterstützen Sie bei einem solchen Vorwurf gerichtlich wie außergerichtlich und verhelfen Ihnen zur bestmöglichen Lösung. Kontaktieren Sie uns jederzeit für ein Erstgespräch.
Was ist Stealthing?
Stealth ist ein englischer Begriff, mit dem „Heimlichkeit“ oder „List“ beschrieben wird. Stealthing kann daher als „etwas heimlich oder listig tun“ übersetzt werden. Im deutschen Sprachgebrauch wird dieser Begriff verwendet, um eine Handlung zu beschreiben, bei der eine männliche Person während des Geschlechtsverkehrs ohne das Wissen des Sexualpartners das Kondom abzieht oder gar nicht erst verwendet, obwohl sich vorher auf einvernehmlichen, geschützten Geschlechtsverkehr geeinigt wurde. Darauf kommt es auch maßgeblich an: Der andere Sexualpartner geht daher davon aus, dass beim Geschlechtsverkehr ein Kondom verwendet wird.
Entscheidend ist also, dass der Wunsch des anderen Sexualpartners nach geschütztem Sex (sogenannter „Safer Sex“) bewusst missachtet wird. Der ungeschützte Geschlechtsverkehr erfolgt ohne Zustimmung des anderen Teilnehmers. Gleichzeitig muss der unwissende Sexualpartner Wert darauf gelegt und diesen Wunsch geäußert haben, dass es sich um geschützten Geschlechtsverkehr handelt – es darf ihm also nicht gleichgültig sein.
Unerheblich ist, ob es sich bei dem Geschlechtspartner um einen Mann oder eine Frau handelt. Das vermeintliche Opfer kann ein beliebiges Geschlecht haben – Stealthing kommt sowohl bei heterosexuellem als auch bei homosexuellem Geschlechtsverkehr vor.
Problematisch ist nicht allein eine mögliche Schwangerschaft, die für die Sexualpartnerin ungewollt und ungeplant entstehen kann. Für beide Geschlechter besteht zusätzlich das Risiko, an einer sexuell übertragbaren Krankheit zu erkranken.
Ist Stealthing eine Straftat?
Stealthing ist nicht durch einen eigenständigen Straftatbestand im Strafgesetzbuch geregelt. Daher gibt es unterschiedliche Auffassungen zur Strafbarkeit. Fakt ist jedoch, dass der BGH eine Strafbarkeit annimmt, wenn einige Voraussetzungen erfüllt sind:
Bei Stealthing könne es sich um einen sexuellen Übergriff (§ 177 Abs. 1 StGB) handeln, wenn der Sexualpartner dem Geschlechtsverkehr nur unter der Bedingung zustimme, dass dieser geschützt abläuft, also explizit ein Kondom verwendet wird. Dann stünde das heimliche Weglassen dem erkennbaren Willen der Person entgegen, so der Bundesgerichtshof (BGH, Beschluss vom 13.12.2022 − 3 StR 372/22). Auch das Kammergericht Berlin (KG (4. Strafsenat), Beschluss vom 27.07.2020 – 4 Ss 58/20) und das Bayerische Oberlandesgericht in Bamberg (BayObLG, Beschluss vom 20.8.2021 – 206 StRR 87/21) verurteilten in ähnlich gelagerten Fällen des „Stealthings“ wegen eines sexuellen Übergriffs gem. § 177 Abs. 1 StGB.
Auch eine Verurteilung wegen Vergewaltigung (§ 177 Abs. 6 Nr. 1 StGB) sei möglich, wenn es beim Stealthing zum Eindringen in den Körper der anderen Person komme. Eine solche Verurteilung gab es bisher jedoch noch nicht.
Aus der Sicht des BGH lässt sich indes ableiten, dass es nicht allein um das Risiko einer Infektion mit sexuell übertragbaren Krankheiten oder einer ungewollten Schwangerschaft geht, sondern vielmehr um den ausdrücklichen Willen der anderen Person (generell auch als „Consent“ bezeichnet).
Nicht erheblich sei im Übrigen, ob vorher ungeschützter Verkehr (wie etwa der Oralverkehr) stattgefunden hat. Vielmehr komme es darauf an, ob zum Zeitpunkt der sexuellen Handlungen ausdrücklich bestimmt wurde, dass ein Kondom verwendet wird (zum Beispiel in dem Moment, in dem zum Vaginalverkehr übergegangen wird). Ab diesem Zeitpunkt sei der ungeschützte Geschlechtsverkehr gegen den Willen der anderen beteiligten Person.
Welche Strafe droht bei Stealthing?
Bisher gab es zum Thema Stealthing nur Verurteilungen wegen eines sexuellen Übergriffs. Hier droht bei einer Verurteilung eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten und bis zu fünf Jahren. Bei einer Verurteilung wegen Vergewaltigung droht eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren. Eine solche Strafe könnte nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden.
Kommt es zu einer Übertragung von Krankheiten, ist außerdem eine Verurteilung wegen einer (fahrlässigen) Körperverletzung möglich. Hier droht eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren.
Außerdem kann Stealthing auch zu zivilrechtlichen Ansprüchen wie solche auf Schmerzensgeld führen. Zuletzt wurde hier Geschädigten ein Schmerzensgeld in vierstelliger Höhe zugesprochen. Nicht zu unterschätzen ist außerdem der Reputationsschaden, der allein aus einem Verdacht, eine Sexualstraftat begangen zu haben, häufig resultiert.
So verhalten Sie sich als Beschuldigter
Allein der Vorwurf eines Sexualdelikts kann schwerwiegende Folgen haben. Gerade das persönliche und soziale Umfeld reagiert oft besonders empfindlich, aber auch die Karriere kann unter einem solchen Vorwurf leiden. Betroffene sollten daher in jedem Fall den Vorwurf ernst nehmen und schnellstmöglich einen Anwalt kontaktieren, um das weitere Vorgehen zu besprechen.
Bei Sexualdelikten steht häufig „Aussage gegen Aussage„. Handfeste Beweise existieren nur selten. Es handelt sich um ein Rechtsgebiet, das ein besonderes Maß an Sensibilität erfordert. Das Ergebnis des Verfahrens ist stets ungewiss, da es mangels anderer Beweise oft auf die Glaubwürdigkeit der Beteiligten ankommt. Bis zur rechtskräftigen Verurteilung gilt für Beschuldigte die Unschuldsvermutung.
Vermeiden Sie möglichst den unbedachten Kontakt zu Strafverfolgungbehörden und sehen Sie davon ab, ohne anwaltliche Unterstützung einer Vorladung zu folgen. Sie sind nicht dazu verpflichtet, einer Vorladung durch die Polizei Folge zu leisten. Wir verstehen den Wunsch, die eigene Sichtweise darstellen und sich erklären zu wollen. Eine polizeiliche Aussage kann jedoch schnell dazu führen, dass Sie sich selbst belasten und so zur eigenen Verurteilung beitragen. Einmal getätigte Angaben sind schwer in das rechte Licht zu rücken.
Strafverfahren wegen Sexualdelikten wie Stealthing können mit einem spezialisierten Strafverteidiger und einer guten Verteidigungsstrategie häufig bereits im Ermittlungsverfahren zur Einstellung gebracht werden. Um dies zu erreichen, ist es jedoch wichtig, sich frühzeitig an einen erfahrenen Strafverteidiger für Sexualstrafrecht zu wenden. Dieser kann Sie sowohl im laufenden Prozess wie auch beratend unterstützen.
Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf das Sexualstrafrecht und hat jahrelange Erfahrung in der Verteidigung von Mandanten auf diesem Gebiet. Wir legen größten Wert auf Professionalität und Diskretion. Kontaktieren Sie uns schnellstmöglich, wenn Sie im Verdacht stehen, eine Straftat begangen zu haben.