Hausdurchsuchungen gehören zu den einschneidendsten Maßnahmen im Rahmen von Ermittlungsverfahren. Die Verletzung der Privatsphäre in den eigenen vier Wänden ist bereits ein Schock für die Betroffenen, dazu kommt auch noch die befürchtete Bloßstellung vor Nachbarn und Passanten. Gerade in dieser Ausnahmesituation ist es aber besonders wichtig, ruhig und überlegt zu handeln. Denn wer spontan Angaben zur Tat macht oder versucht, Beweismittel verschwinden zu lassen, kann sich in eine fatale Situation manövrieren.
Voraussetzungen für eine Hausdurchsuchung
Die Voraussetzungen für eine Hausdurchsuchung ergeben sich einerseits aus dem Grund für eine Durchsuchung und zum anderen aus den formalen Bedingungen, unter denen diese stattfinden darf. Da die Durchsuchung einen starken Eingriff in den durch das Grundgesetz geschützten Lebensbereich eines Menschen darstellt, sind die Voraussetzungen dafür entsprechend eng formuliert.
Konkreter Verdacht auf eine Straftat
Die Hausdurchsuchung ist in den §§ 102 ff. Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Sie kann sowohl bei einem Beschuldigten als auch bei anderen Personen stattfinden. Voraussetzung ist stets der Verdacht auf eine Straftat. Es müssen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Verdächtige eine Straftat begangen hat, ein hinreichender oder dringender Tatverdacht ist aber nicht erforderlich. Die Durchsuchung kann entweder auf die Ergreifung einer verdächtigen Person oder auf das Auffinden von Beweismitteln gerichtet sein. Es kommen sowohl Privaträume und Nebengebäude von Wohnhäusern als auch Geschäftsräume und sogar Fahrzeuge in Betracht.
Jede Straftat und Ordnungswidrigkeit kann grundsätzlich Anlass einer Durchsuchung sein, in der Praxis wird sie häufig bezüglich eines der folgenden Delikte durchgeführt: Mord, Totschlag, Diebstahl, Hehlerei, Steuerhinterziehung, Kinderpornographie und Drogenhandel. Die Behörden müssen bei ihren Ermittlungsmaßnahmen aber den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten; das heißt zum einen, dass sie das mildeste erfolgversprechende Mittel wählen müssen und zum anderen muss die Maßnahme im Hinblick auf das Delikt angemessen sein. Daher ist eine Durchsuchung bei Bagatelldelikten nicht zulässig.
Beispielfall: Ein Motorradfahrer überschritt die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerorts um 30 km/h. Gegen den Bußgeldbescheid legte er Einspruch ein und bestritt, der Fahrer des Motorrads gewesen zu sein. Daraufhin ordnete das Amtsgericht eine Hausdurchsuchung an, um die auf dem Tatfoto abgebildete Motorradbekleidung zu finden. Nachdem seine Beschwerde durch alle Instanzen erfolglos geblieben war, legte der Betroffene Verfassungsbeschwerde ein. Das Bundesverfassungsgericht gab ihm recht und erklärte die Durchsuchung für unverhältnismäßig und demnach rechtswidrig (Beschluss vom 14.07.2016, Az.: 2 BvR 2748/14). Zum einen handele es sich bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 30 km/h um einen geringfügigen Verstoß, zum anderen habe auch ein milderes Mittel zur Verfügung gestanden, nämlich ein anthropologisches Gutachten.
Richtervorbehalt und Zeitrahmen
Im Regelfall setzt die Hausdurchsuchung einen richterlichen Beschluss voraus (§ 105 StPO). Nur in eiligen Ausnahmefällen, bei „Gefahr im Verzug“, dürfen die Staatsanwaltschaft oder die Polizei selbst eine Durchsuchung anordnen. Gefahr im Verzug liegt vor, wenn beim Abwarten der richterlichen Entscheidung damit zu rechnen ist, dass die festzunehmende Person flieht, Beweismittel verschwinden oder ein Schaden an einem Rechtsgut eintritt. Der Eintritt einer Gefahr muss bereits so unmittelbar bevorstehen, dass die Ermittlungsbeamten nicht auf die richterliche Entscheidung warten können.
Das Gesetz schreibt grundsätzlich vor, dass Hausdurchsuchungen nur zu bestimmten Uhrzeiten erlaubt sind (§ 104 III StPO). Sie dürfen nur tagsüber von 6 Uhr bis 21 Uhr stattfinden. Hinsichtlich der Wochentage sieht der Gesetzgeber jedoch keine Einschränkungen vor, theoretisch sind Durchsuchungen auch an Sonn- und Feiertagen möglich. Bei den Behörden besonders beliebt sind die frühen Morgenstunden vor dem Aufstehen, um den Überraschungseffekt ausnutzen zu können. Die aus dem Schlaf gerissenen Bewohner haben so keine Chance, Beweismittel beiseite zu schaffen. Abweichungen von der erlaubten Uhrzeit sind wiederum in Einzelfällen möglich, z.B. wenn Gefahr im Verzug oder eine Verfolgung auf frischer Tat vorliegt. Dann darf eine Hausdurchsuchung auch nachts stattfinden.
Ablauf einer Hausdurchsuchung
Die Polizeibeamten klingeln an der Tür und verlangen, dass der Verdächtige sie einlässt. Weigert er sich oder ist er nicht zu Hause, dürfen sich die Beamten entweder gewaltsam Zutritt verschaffen oder – wie in der Praxis üblicher – einen Schlüsseldienst mit der Öffnung beauftragen. In Fällen, in denen die Ermittlungsbehörden von schweren Straftaten, wie zum Beispiel organisierte Verbrechen, oder von besonderen Gefahren, wie dem Besitz von Waffen, ausgehen, darf die Türe auch ohne Ankündigung aufgebrochen werden. Durchschnittlich nehmen an einer Hausdurchsuchung fünf bis zehn Polizeibeamte teil, die nach dem Eintreten zuerst die verdächtige Person über ihre Rechte informieren. Dann beginnen sie damit, alle Räume, die im Durchsuchungsbeschluss ausdrücklich genannt wurden, zu durchsuchen. Dabei dürfen sie sämtliche Schubladen und Schrankfächer öffnen und sich auch Mobiltelefone und Computer vornehmen. Die Beamten dürfen alle Gegenstände beschlagnahmen, die als Beweismittel für die Straftat dienen können; dazu gehören neben klassischen körperlichen Gegenständen auch Träger digitaler Daten. Weiterhin dürfen auch Gegenstände, deren Besitz illegal ist, beschlagnahmt werden, selbst wenn sie keinen Bezug zur vorgeworfenen Tat haben.
Nicht beschlagnahmt werden darf zum Beispiel private Korrespondenz, wenn sie offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Straftat steht, etwa weil es sich um eine geschäftliche Tat handelt. Auch Schriftwechsel mit Geheimnisträgern, wie Rechtsanwälten und Steuerberatern, unterliegt einem Beschlagnahmeverbot. Die Durchsuchung und die einzelnen Beschlagnahmen müssen in einem Protokoll festgehalten und ein Exemplar dem Betroffenen ausgehändigt werden.
Verhaltenstipps bei einer Hausdurchsuchung
Als Wohnungsbesitzer haben Sie bei einer Hausdurchsuchung das Recht auf Anwesenheit, nicht aber die Pflicht. Sie sollten jedoch dabei bleiben, um zu kontrollieren, ob die Durchsuchung ordnungsgemäß abläuft. Lassen Sie sich zuerst die Ausweispapiere der Beamten zeigen und notieren Sie sich deren Namen und Dienstgrade. Dann haben Sie es später leichter, falls Sie eine Beschwerde einlegen oder Schadensersatz einfordern möchten. Lassen Sie sich dann den Durchsuchungsbeschluss aushändigen. Äußern Sie deutlich, dass Sie der Durchsuchung widersprechen, und achten Sie darauf, dass Ihre Aussage in das Protokoll aufgenommen wird.
Kontaktieren Sie unbedingt einen Strafverteidiger! Dieser kann Ihnen schon am Telefon wichtige weitere Informationen und Tipps geben und Ihnen die Sicherheit vermitteln, dass Ihnen in dieser schwierigen Situation geholfen wird. Sie können bis zum Eintreffen eines Anwalts auch eine vertrauenswürdige Person als Zeugen hinzuziehen.
Sie sind zur Duldung der Maßnahme verpflichtet, aber nicht zur Mitwirkung. Geben Sie daher keine Gegenstände freiwillig heraus, sondern lassen Sie nur die Beamten ihre Arbeit erledigen. Im Übrigen bewahren Sie Ruhe, machen Sie keine Angaben zur Sache und unterschreiben Sie nichts. Wenn Sie nach Passwörtern oder PIN für Ihre Geräte gefragt werden, müssen Sie diese nicht mitteilen und Sie sollten es ohne Rücksprache mit Ihrem Verteidiger auch nicht tun. Schreiben Sie sich auf, welche Gegenstände die Beamten beschlagnahmt haben.
Folgen einer rechtswidrigen Durchsuchung
Sofern sich eine Durchsuchung im Nachhinein als rechtswidrig erweist, stellt sich zunächst die Frage, ob die gewonnenen Beweismittel überhaupt verwertet werden dürfen. Nicht jeder Verfahrensfehler führt zu einem Beweisverwertungsverbot. Wenn aber die Beamten bewusst, willkürlich oder besonders schwerwiegend das grundgesetzlich garantierte Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung missachtet haben, sind die gesicherten Beweise unbrauchbar. Die Rechtsprechung nimmt dies zum Beispiel an, wenn die Staatsanwaltschaft trotz Erreichbarkeit des Richters zur üblichen Bürozeit keinen Versuch der Kontaktaufnahme unternommen, sondern die Hausdurchsuchung selbst angeordnet hat.
Weiterhin kann der Betroffene einen Schadensersatzanspruch haben, wenn durch eine rechtswidrige Durchsuchung ein Schaden von mehr als 25 Euro entstanden ist und es später nicht zu einer Verurteilung kommt. Die typischen Kosten, etwa Ersatz für ein aufgebrochenes Türschloss, sind nach §§ 2, 7 StrEG erstattungsfähig. Nicht erstattungsfähig nach dem StrEG sind mittelbare Schäden, zum Beispiel Verdienstausfall, und die bloße Rufschädigung. Schießen einzelne Beamte über das Ziel hinaus und richten atypische oder besonders hohe Schäden an, die normalerweise bei einer Durchsuchung nicht entstehen, kann der Geschädigte Schadensersatz nach § 839 BGB (Amtshaftungsanspruch) beanspruchen.
Fazit
Wenn bei Ihnen eine Hausdurchsuchung durchgeführt wird, sollten Sie sofort einen erfahrenen Strafverteidiger anrufen. In dieser Situation können Sie einen Anwalt nicht nur als rechtlichen, sondern auch menschlichen Beistand gebrauchen. Er wird Sie beruhigen und dafür sorgen, dass Sie sich nicht zu unüberlegten Handlungen oder Äußerungen hinreißen lassen. Außerdem kann er Sie anleiten, alle wichtigen Fakten zu dokumentieren, mit denen er später arbeiten kann. Erst nach der Durchsuchung zeigt sich, ob die Maßnahme gerechtfertigt war. Ihr Rechtsanwalt kann dann mögliche Fehler zu Ihren Gunsten im Strafverfahren nutzen und eventuelle Entschädigungsansprüche für Sie durchsetzen.
FAQ
Was sind Gründe für eine Hausdurchsuchung?
Eine Hausdurchsuchung kann bei einem konkreten Verdacht auf eine Straftat angeordnet werden. Da eine Durchsuchung einen erheblichen Eingriff in den Lebensbereich einer Person darstellt und die Behörden den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit befolgen müssen, erfolgen Hausdurchsuchungen i.d.R. nur bei Verdacht auf eine schwerwiegende Straftat wie Mord, Totschlag, Diebstahl, Hehlerei, Steuerhinterziehung, Kinderpornographie und Drogenhandel.
Um wie viel Uhr findet eine Hausdurchsuchung statt?
Hausdurchsuchungen sind nur zu bestimmten Zeiten erlaubt. Sie dürfen tagsüber von 06:00 bis 21:00 Uhr stattfinden. Nur in Ausnahmefällen – beispielsweise bei Gefahr im Verzug – sind Durchsuchungen auch außerhalb dieser Zeiten erlaubt. Meistens beginnt eine Hausdurchsuchung in den frühen Morgenstunden, um Verdächtige möglichst aus dem Schlaf zu reißen und ihnen somit keine Zeit zur Beseitigung von Beweismitteln zu geben.
Wie läuft eine Durchsuchung ab?
In der Regel klingeln fünf bis zehn Polizeibeamte an der Tür und verlangen Einlass. Der Verdächtige wird zuerst über seine Rechte aufgeklärt. Dann werden alle Räume, die im Durchsuchungsbeschluss ausdrücklich genannt sind, durchsucht und Beweismittel beschlagnahmt. Auch Zufallsfunde von Gegenständen, deren Besitz illegal ist, dürfen beschlagnahmt werden, auch wenn sie keinen Bezug zum Tatvorwurf haben. Die Durchsuchung und die einzelnen Beschlagnahmen werden schließlich in einem Protokoll festgehalten und eine Kopie dem Betroffenen ausgehändigt.
Wie soll ich mich während einer Hausdurchsuchung verhalten?
- Bewahren Sie Ruhe!
- Lassen Sie sich die Ausweispapiere der Beamten zeigen und merken Sie sich deren Namen.
- Lassen Sie sich den Durchsuchungsbeschluss aushändigen.
- Bleiben Sie während der Durchsuchung bis zum Erscheinen Ihres Strafverteidigers anwesend.
- Kontaktieren Sie umgehend einen Strafverteidiger, der Sie zunächst beraten kann, was Sie tun sollten und dann zu Ihnen kommen kann.
- Ziehen Sie vor dem Eintreffen des Anwalts vertraute Personen als Zeugen hinzu.
- Geben Sie ohne vorherige Rücksprache mit Ihrem Verteidiger keine Passwörter oder PINs heraus.
- Machen Sie keine Angaben zur Sache. Sie brauchen keine Dokumente zu unterschreiben.