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Verfassungsbeschwerde im Strafrecht – mit Schwenn Kruse Georg

Die Verfassungsbeschwerde im Strafrecht ist ein besonderes Verfahren, in dem das Bundesverfassungsgericht ganz speziell die Verletzung von Verfassungsrecht prüft.  Sie ist ein außerordentlicher Rechtsbehelf, mit dem Bürger ihre grundgesetzlich garantierten Rechte gegenüber dem Staat geltend machen können – auch im Bereich des Strafrechts.

Wichtig ist dabei zu verstehen:

Die Verfassungsbeschwerde ist kein Rechtsmittel wie z. B. die Revision in Strafsachen, und ist keine weitere Instanz im Instanzenzug. Gleichzeitig ist dieses Verfahren nicht alltäglich, sodass nicht jeder Rechtsanwalt bzw. jeder Strafverteidiger in der Lage ist, Mandanten professionell vor dem BVerfG zu vertreten. Wer Verfassungsbeschwerde gegen ein Strafurteil einreichen will, sollte deswegen auf die Unterstützung von Rechtsanwälten für Strafrecht setzen, die die rechtlichen Grundlagen eines Verfassungsbeschwerdeverfahrens sicher beherrschen und praktische Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden haben.

Sie wollen Verfassungsbeschwerde gegen ein Strafurteil, eine Ermittlungsmaßnahme etc. erheben? Sprechen Sie uns gerne an – wir beraten Sie umfassend über Ihre Möglichkeiten!

Was ist eine Verfassungsbeschwerde?

Die Verfassungsbeschwerde ist kein Rechtsmittel, das Bundesverfassungsgericht ist keine Super-Revisions-Instanz. Mit diesem außerordentlichen Rechtsbehelf lässt sich also weder eine falsche Rechtsanwendung durch die Strafverfolgungsbehörden noch eine falsche Rechtsauslegung durch die Strafgerichte rügen.

Im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde wird geprüft, ob ein bestimmtes staatliches Handeln – also z. B. ein Urteil einen Bürger in seinen Grundrechten verletzt. Das Verfassungsgericht nimmt also keine neue Beurteilung eines Sachverhalts oder des Strafmaßes vor, sondern prüft lediglich die Verletzung von spezifischem Verfassungsrecht. Die Grundrechte wirken dabei als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Im Zivilrecht und im öffentlichen Recht geht es häufig um Verletzung des Grundrechts auf Gleichbehandlung (Art. 3 GG), um die Meinungsfreiheit (Art. 5 GG), die Eigentumsfreiheit (Art. 14 GG) oder die Berufsfreiheit (Art. 12 GG).

Aber auch die Verletzung grundrechtsgleicher Rechte kann Anlass sein, eine Verfassungsbeschwerde zu erheben. Dabei kann sich auf die Verletzung sog. „Justizgrundrechte“ berufen werden, die die Beteiligten im gerichtlichen Verfahren schützen. Spezielle grundrechtsgleiche Rechte mit strafrechtlichem Bezug sind vorwiegend Art. 103 Abs. 2 GG (Keine Strafe ohne Gesetz), Art. 103 Abs. 2 GG (Doppelbestrafungsverbot) und Garantien bei Freiheitsentzug aus Art. 104 GG.

Die Verfassungsbeschwerde schützt so Bürger vor verfassungswidriger staatlicher Willkür – auch und gerade im Strafrecht und Strafverfahren!

Wer kann Verfassungsbeschwerde erheben?

Schwenn Kruse Georg Verfassungsbeschwerde, Bild des Bundesverfassungsgerichts

Die Individualverfassungsbeschwerde kann von jeder natürlichen Person erhoben werden. Voraussetzung ist, dass die Person, die Verfassungsbeschwerde erhebt,

  • selbst,
  • gegenwärtig und
  • unmittelbar

durch eine staatliche Maßnahme in ihren Grundrechten betroffen sein muss.

Wogegen kann man Verfassungsbeschwerde erheben?

Die Verfassungsbeschwerde kann eine Person grundsätzlich gegen jede staatliche Maßnahme erheben, die sie möglicherweise in ihren Grundrechten verletzt.

Jede Maßnahme der öffentlichen Gewalt kann also auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüft werden, d. h. Maßnahmen

  • der öffentlichen Verwaltung / Behörden
  • der Gerichte (Zivilrecht, Strafrecht, Verwaltungsrecht) und
  • des Gesetzgebers.

Verletzt also beispielsweise ein Strafurteil oder eine Maßnahme im Ermittlungsverfahren ein oder mehrere Grundrechte, kann man das Urteil oder die Maßnahme (z.B. eine Wohnungsdurchsuchung) vom Bundesverfassungsgericht darauf hin überprüfen lassen, ob mit der Entscheidung oder der Maßnahme Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte verletzt wurden.

Verfassungsbeschwerde im Strafrecht

Auch im Strafrecht sind Verfassungsbeschwerden möglich.

Denkbar sind Verfassungsbeschwerden gegen Strafurteile der letzten Instanz, aber auch gegen Urteile vorangegangener Instanzen. Hier wird dann nicht selten die Verletzung des „Rechts auf ein faires Verfahren“ oder eine Verletzung des „rechtlichen Gehörs“ gerügt. Dabei geht es aber nicht um Schuld oder Unschuld, sondern darum, ob Ihre Grundrechte bzw. grundrechtsgleichen Rechte durch das Urteil verletzt werden.

Genauso kann sich ein Verfassungsbeschwerdeverfahren aber gegen Maßnahmen der Ermittlungsbehörden im Ermittlungsverfahren richten. Das ist unter anderem der Fall, wenn Zwangsmaßnahmen wie

  • eine Wohnungsdurchsuchung (Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung, Art. 13 GG)
  • eine Telekommunikationsüberwachung (Post- und Fernmeldegeheimnis, Art. 10 GG)
  • Beschlagnahmung (Recht auf Eigentum, Art. 14 Abs. 1 GG)

ungerechtfertigt in die Grundrechte der betroffenen Person eingreifen. Stellt sich heraus, dass eine solche Maßnahme grundrechtswidrig war, kann das erheblichen Einfluss auf den Ausgang des Strafverfahrens haben. Eine Verfassungsbeschwerde gegen solche grundrechtsintensiven Maßnahmen kann dann sinnvoll sein. Verfassungsbeschwerden in diesem Kontext sollten deswegen bestenfalls erhoben werden, bevor das Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist.

Aber natürlich kann sich eine Verfassungsbeschwerde im Strafrecht auch gegen Maßnahmen der Strafvollstreckung und des Strafvollzugs richten, z. B. wenn zu Unrecht Untersuchungshaft angeordnet wurde.

Zudem ist eine Verfassungsbeschwerde in Auslieferungsverfahren auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls möglich.

Ist ein Rechtsanwalt für eine Verfassungsbeschwerde notwendig?

Die Verfassungsbeschwerde kann man selbst und ohne Rechtsanwalt beim Bundesverfassungsgericht einreichen. Kommt es aber zu einer mündlichen Verhandlung, muss die beschwerdeführende Person von einem Rechtsanwalt vertreten werden. 

Auch wenn kein Anwaltszwang besteht, ist grundsätzlich davon abzuraten, dieses Verfahren ohne Rechtsanwalt einzuleiten bzw. zu führen. Denn neben vielen formalen Anforderungen, die die Voraussetzung sind, dass eine Beschwerde angenommen wird, sollte auch die Begründung der Verletzung der Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte argumentativ sorgfältig und professionell aufbereitet werden, um das Gericht von der eigenen Position von Beginn an zu überzeugen.

Was sind die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung?

  1. Voraussetzung dafür, dass das Gericht sich überhaupt mit dem Antrag befasst ist, dass der Rechtsweg erschöpft ist. Es müssen zuvor also alle Rechtsmittel erfolglos gewesen sein.
  • Die Verfassungsbeschwerde muss schriftlich und in deutscher Sprache erhoben werden (§§ 23, 92 BVerfGG) und muss mindestens folgenden Inhalt haben:
  • Maßnahme, gegen die man sich richtet (z. B. ein Strafurteil oder eine Maßnahme im Ermittlungsverfahren)
    • Das Grundrecht, in welchem man sich verletzt sieht
    • Erklärung, warum man von einer Grundrechtsverletzung ausgeht

Die zugehörigen Unterlagen müssen entsprechend beigefügt werden, u. a. die angegriffene Entscheidung eines Gerichts und die vorausgegangenen Schriftsätze.

Ein Anwalt ist für das Einreichen der Verfassungsbeschwerde nicht notwendig.

  • Außerdem muss die Beschwerde begründet werden. Das Gericht muss aus der Verfassungsbeschwerde selbst und ohne zusätzliche Verfahrensakten beurteilen können, ob die gerügte Grundrechtsverletzung tatsächlich vorliegt.

Wichtig! Hier gilt es gründlich zu arbeiten und das Gericht argumentativ an die Hand zu nehmen. Erfahrung und Fachkenntnis sind dafür unbedingt notwendig. Spätestens hier ist die Mitwirkung eines Anwalts entscheidend, um die Erfolgschancen der Beschwerde möglichst zu verbessern.

  • Bei Verfassungsbeschwerde gegen (Straf-)Urteile ist außerdem eine Frist zu beachten: einen Monat nach Zustellung der letzten Entscheidung Zeit (§ 93 Abs. 1 S. 1 BVerfGG) muss die Urteilsverfassungsbeschwerde erhoben sein.

Sind diese ersten Hürden genommen, entscheidet das BVerfG zunächst darüber, ob es die Beschwerde überhaupt zu Entscheidung annimmt (§ 93a BVerfGG).

Wichtig! Nimmt das Gericht die Beschwerde nicht an, gibt es dagegen kein Rechtsmittel (§ 93d BVerfGG)! Dann ist nur eine Individualbeschwerde nach Art. 34 EMRK zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte möglich. Deswegen sollte eine Beschwerde immer sehr gründlich vorbereitet sein, um nicht bereits hier zu scheitern – das gelingt nur mit Unterstützung eines erfahrenen Rechtsanwaltes.

Wie entscheidet das Bundesverfassungsgericht?

Bei einer Urteilsverfassungsbeschwerde kann das Bundesverfassungsgericht z. B. die Entscheidung eines Strafgerichts aufheben, wenn das Gericht davon überzeugt ist, dass das Urteil die Grundrechte des Verurteilten verletzt. Die Sache wird dann an das zuständige Gericht zur erneuten Entscheidung zurückverweisen. Das Gericht muss dann unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts neu entscheiden. Das kann sehr vieles ändern!

Lohnt sich eine Verfassungsbeschwerde?

Eine Verfassungsbeschwerde kann erheblichen Einfluss auf eine Verurteilung im Strafrecht haben, wenn sie Erfolg hat.

Die meisten Verfassungsbeschwerden werden vom Bundesverfassungsgericht aber gar nicht zur Entscheidung angenommen, sondern bereits vorher abgewiesen und nur ca. 2 % der Beschwerden sind letztlich erfolgreich. Wird die Beschwerde angenommen, kann es etliche Monate dauern, bis das Bundesverfassungsgericht zu einem Urteil kommt – Entscheidungszeiträume von einem Jahr und mehr sind normal.

Es kommt entscheidend darauf an, dass Experten für Verfassungsbeschwerden im Strafrecht die Erfolgsaussichten im Vorfeld gründlich prüfen und Sie bei der Erhebung einer Beschwerde professionell und fachlich kompetent unterstützen.

Unsere Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden im Strafrecht

Unsere Tätigkeit in Verfassungsbeschwerdeverfahren erstreckt sich auf den gesamten Bereich des Strafrechts und Strafprozessrechts.

Dabei haben wir auch schon aufsehenerregende Fälle erfolgreich bearbeitet. So haben wir erfolgreich Verfassungsbeschwerde gegen die Verurteilung eines Journalisten wegen der Bezeichnung des Berliner Generalstaatsanwalts als „durchgeknallten Staatsanwalt“ (1 BvR 2272/04) erhoben. Auch haben wir erfolgreich Verfassungsbeschwerde und einen Eilantrag gegen die durch das „Gesetz zur Herstellung materieller Gerechtigkeit“ in § 362 Nr. 5 StPO deutlich erweiterte Wiederaufnahmemöglichkeit zuungunsten des Freigesprochenen (2 BvR 900/22) betrieben.