Schwerkranke Frau - Sterbehilfe

Sterbehilfe, assistierter Suizid oder Tötung auf Verlangen – Wo beginnt die Strafbarkeit?

Spätestens seit dem berühmten Urteil des Bundesverfassungsgerichtes im Jahr 2020, mit dem das Verbot geschäftsmäßiger Förderung der Selbsttötung (§ 217 StGB) für verfassungswidrig erklärt wurde, ist die Sterbehilfe ein in der Öffentlichkeit breit diskutiertes Thema. Menschen die an unheilbaren und schwerwiegenden Krankheiten leiden, haben teilweise den Wunsch nach einem selbstbestimmten Tod. Sie wollen nicht langsam und unter Schmerzen dahinsiechen, sondern die Kontrolle über ihr Leben bis zum Ende behalten. Dies kann sie auch zu der Entscheidung bewegen, ihrem Leben ein frühzeitiges Ende zu setzen um dafür „in Würde“ sterben zu können.

Der Suizid selbst ist in Deutschland straflos. Doch oft benötigen diese schwerkranken Menschen Unterstützung bei ihrer letzten Tat. Inwiefern sich Unterstützer hierbei strafbar machen, ist ein hochkomplexes Thema. Im Rahmen jener Problematik kursieren viele verschiedene Begrifflichkeiten: Aktive und passive Sterbehilfe, Behandlungsabbruch, assistierter Suizid, Tötung auf Verlangen etc. Doch was steckt hinter diesen Begriffen? Und wann macht man sich als Unterstützer strafbar? Der Grat zwischen Strafbarkeit und Straflosigkeit ist im Bereich der Sterbehilfe sehr schmal. Umso wichtiger ist es im Falle einer Beschuldigung einen erfahrenen Strafverteidiger an seiner Seite zu wissen.

Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG) umfasst das Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Das Grundgesetz schützt damit nicht nur das Recht auf Leben (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG), sondern genauso das Recht auf Sterben. Deshalb ist auch der Suizid in Deutschland keine Straftat. Allerdings gehört zum Recht auf Sterben, nicht nur die Freiheit sich selbst das Leben zu nehmen, sondern auch jene dabei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen. Es muss daher in bestimmten Konstellationen für Dritte möglich sein, eine sterbewillige Person bei ihrem Suizid zu unterstützen, ohne sich dabei selbst strafbar zu machen.

Aktive Sterbehilfe

Als aktive Sterbehilfe bezeichnet man alle vorsätzlichen Handlungen, durch die gezielt eine Lebensverkürzung bei einer anderen Person verursacht wird. Diese Art der Sterbehilfe wird in der Regel gemäß §§ 211, 212 oder 216 StGB bestraft. Eine Rechtfertigung durch Einwilligungdes Opfers ist nicht möglich. Dies folgt aus dem verfassungsrechtlich verankerten Lebensschutz (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG). Das Rechtsgut Leben untersteht einem weitreichenden verfassungsrechtlichen Schutz, wodurch es indisponibel ist. Es wird dabei jedes Leben, unabhängig von Alter, Krankheit etc. geschützt.

Wenn allerdings keine täterschaftliche Tötung, sondern lediglich Beihilfe zum eigenverantwortlichen Suizid eines anderen vorliegt, kann dadurch keine Strafbarkeit begründet werden. Für die Strafbarkeit einer Beihilfehandlung bedarf es zunächst einer vorsätzlich begangenen, rechtswidrigen Haupttat eines anderen. Der Suizid ist allerdings als Ausdruck des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG) gerade nicht strafbar und kann demnach auch keine vorsätzlich begangene, rechtswidrige Haupttat sein. Mangels Haupttat kann daher in solchen Fällen keine Beihilfestrafbarkeit vorliegen.

Eine weitere Unterkategorie der aktiven Sterbehilfe ist die indirekte Sterbehilfe. Bei dieser werden zur Linderung schwerwiegender Krankheitsbeschwerden Medikamente eingesetzt, die mit einer unerwünschten, aber unvermeidbaren Lebensverkürzung verbunden sind. Diese recht umstrittene Konstellation soll laut BGH straflos bleiben. Zur Begründung führt er aus, der Tod in Würde und ohne unerträgliche Schmerzen stelle ein höherwertiges Rechtsgut, als eine kurzzeitige Lebensverlängerung dar.

Passive Sterbehilfe

Bei der passiven Sterbehilfe wird gemäß dem Willen des Patienten von lebensverlängernden Maßnahmen abgesehen. Auch wenn der Begriff „passiv“ die Begehung durch Unterlassen suggeriert, ist auch hier eine Strafbarkeit wegen aktivem Tun möglich. Die passive Sterbehilfe wird auch oft als „Behandlungsabbruch“ bezeichnet.

Der Behandlungsabbruch ist dann straflos, wenn der Patient erklärt, nicht weiter behandelt werden zu wollen. Hierdurch wird der behandelnde Arzt von seiner Garantenstellung befreit und hat infolgedessen keine Weiterbehandlungspflicht und auch kein Weiterbehandlungsrecht mehr. Er kann sich also nicht wegen Unterlassens strafbar machen, weil er seinem Patienten nicht durch eine Weiterbehandlung das Leben gerettet hat. Er darf ihn allerdings auch nicht weiterbehandeln, da er ansonsten das Selbstbestimmungsrecht des Patienten verletzen würde. Hierbei könnte eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) begründet werden.

Tötung auf Verlangen – Strafbarkeit nach § 216 StGB

Die Tötung auf Verlangen gemäß § 216 StGB privilegiert den Täter, der sein Opfer auf dessen Verlangen hin tötet. Der Strafrahmen des § 216 StGB ist im Vergleich zu den anderen Tötungsdelikten deutlich geringer. Dies wird damit begründet, dass das Opfer einen Sterbewillen hatte (Rechtsschutzverzicht) und der Täter mit geminderter Schuld handelte (Handeln aus Mitleid). Um sich der Tötung auf Verlangen gemäß § 216 StGB strafbar zu machen, sind folgende Voraussetzungen erforderlich:

  • Fremdtötung
  • Ausdrückliches und ernsthaftes Tötungsverlangen des Opfers
  • Bestimmtsein des Täters durch das Verlangen

Bezüglich dieser Tatbestandsvoraussetzungen muss zudem Vorsatz des Täters bestehen, also Wissen und Willen hinsichtlich der Tatbestandsverwirklichung. Aus der Vorschrift des § 216 ergibt sich eine Sperre gegenüber einer rechtfertigenden Einwilligung in Fremdtötungen, denn der § 216 stellt gerade diese Konstellation unter Strafe.

Bei einer Verurteilung nach § 216 StGB kann es zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren kommen. Angehörigen der Heilberufe können zudem erhebliche berufsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Entziehung der Approbation drohen. Darüber hinaus sind die sozialen Schäden allein schon bei der Beschuldigung einer Tat nach § 216 enorm. Es kann zu empfindlichen Reputationsschäden beim Beschuldigten kommen.

Sterbewilligem werden Tabletten gegeben - assistierter Suizid

Verfassungswidrigkeit des Verbots der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung

Im Jahr 2015 hat der Gesetzgeber mit der Einführung des § 217 StGB die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe gestellt. Nach diesem Paragraphen wurde derjenige bestraft, der in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt. Dieses Verbot wurde mit Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 26.02.2020 für verfassungswidrig und damit nichtig erklärt.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasse ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben und die Freiheit hierbei auf freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen. Die Entscheidung des Individuums seinem Leben selbstbestimmt ein Ende zu setzen, hätte der Staat und die Gesellschaft grundsätzlich zu respektieren. Das in § 217 StGB normierte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung entleere faktisch die Möglichkeiten der assistierten Selbsttötung. Dabei verstoße der § 217 gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht, weshalb die Norm verfassungswidrig sei. Hieraus folge allerdings nicht, dass es dem Gesetzgeber generell untersagt sei, die Suizidhilfe zu regulieren. Er muss dabei jedoch sicherstellen, dass dem Recht des Einzelnen auf selbstbestimmtes Sterben genügend Raum zur Entfaltung verbleibt.

Vorladung als Beschuldigter nach § 216 StGB – Wie verhalten Sie sich richtig?

Wenn Sie eine Vorladung als Beschuldigter von der Polizei erhalten, müssen Sie zu dieser nicht erscheinen. In seltenen Fällen kann eine Vorladung auch von der Staatsanwaltschaft kommen, dieser müssen Sie zwar nachkommen, dürfen und sollten allerdings vor Ort von Ihrem Recht zu Schweigen Gebrauch machen. Ohne anwaltliche Rücksprache sollten Sie gegenüber den Ermittlungsbehörden und anderen Verfahrensbeteiligten keine Aussagen tätigen. Es besteht sonst die Gefahr, dass Sie sich mit einer unüberlegten Aussage selbst belasten und damit unter Umständen zu Ihrer eigenen Verurteilung beitragen.

Sobald Sie von den Vorwürfen gegen sich erfahren, ist es unerlässlich, dass Sie sich so schnell wie möglich einen erfahrenen Strafverteidiger suchen. Umso wichtiger ist dies, wenn Sie in ihrer Tätigkeit als Arzt oder Angehöriger eines anderen Heilberufes einer Tötung auf Verlangen beschuldigt werden. Neben strafrechtlichen Konsequenzen drohen hier auch schwerwiegende berufsrechtliche Sanktionen. Achten Sie daher darauf sich einen Strafverteidiger mit Spezialisierung im Medizinstrafrecht zu suchen. Dieser kennt sich mit solchen Konstellationen aus und kann Sie bestmöglich beraten.

Unsere Strafverteidiger blicken auf langjährige Erfahrungen mit Fällen aus dem Medizinstrafrecht zurück. Kontaktieren Sie uns gerne für einen unverbindlichen Ersttermin, um von unserer juristischen Expertise und unserem diskreten und sensiblen Umgang mit Ihrem Fall profitieren zu können. Im Falle einer Mandatierung beantragen wir zunächst Akteneinsicht und besprechen dann mit Ihnen eine Verteidigungsstrategie. Wir versuchen stets das bestmögliche Ergebnis für unsere Mandanten zu erreichen. Im besten Fall erreichen wir schon eine Einstellung des Verfahrens vor Eröffnung der Hauptverhandlung. So werden Sie nicht nur vor strafrechtlichen Konsequenzen, sondern auch vor erheblichen Reputationsschäden bewahrt.

FAQ

Was ist der Unterschied zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe?

Bei der aktiven Sterbehilfe wird durch aktives, zielgerichtetes Handeln das Leben eines anderen verkürzt. Diese Form der Sterbehilfe ist i. d. R. strafbar. Bei der passiven Sterbehilfe wird lediglich von lebensverlängernden Maßnahmen abgesehen. Hier liegt grundsätzlich keine Strafbarkeit vor.

Wann mache ich mich nach § 216 StGB strafbar?

Welche Strafe droht bei einer Verurteilung nach § 216 StGB?

Wie verhalte ich mich als Beschuldigter nach § 216 StGB richtig?

Weitere Beiträge