Gerichtssaal, in dem eine Sexualstraftat verhandelt werden soll.

Nebenklage bei Sexualstraftaten

Die Nebenklage ermöglicht Opfern von Gewalt- und Sexualdelikten, aktiv am Verfahren mitzuwirken. Während sich im Normalfall vor Gericht nur Staatsanwalt und Angeklagter gegenüberstehen, bekommt hier auch die verletzte Person eine eigene Stimme und auf Wunsch einen Beistand. Den Betroffenen kann die Teilnahme am Verfahren dabei helfen, das Geschehen psychologisch zu verarbeiten. Insbesondere bei einer Sexualstraftat kann eine Begegnung zwischen Täter und Opfer auf Augenhöhe einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung leisten.

Der juristische Beistand, den eine verletzte Person hinzuziehen kann, wird als Nebenklagevertretung oder umgangssprachlich auch als „Opferanwalt“ bezeichnet. Dabei erfüllt der Nebenklagevertreter eine Kontrollfunktion: Der Anwalt des Nebenklägers fungiert als zusätzlicher Ankläger. Er kann für die verletzte Person eigene Beweisanträge stellen und auch Rechtsmittel einlegen, wenn er mit dem Verlauf des Prozesses nicht zufrieden ist. Der Erfolg eines Sexualstrafverfahrens hängt nicht zuletzt von einer professionellen Nebenklagevertretung ab, denn ein Laie kann seine Verfahrensrechte kaum effektiv wahrnehmen.

Betroffene eines Sexualdelikts finden durch die Vertretung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt für Sexualstrafrecht oft einen guten Mittelweg zwischen eigenem aktivem Eingreifen in das Prozessgeschehen und der indirekten Mitwirkung durch den Nebenklagevertreter. Ein Rechtsanwalt kann nicht nur Rechte wahrnehmen, die der verletzten Person selbst nicht zustehen, er kann auch dort stellvertretend für seinen Mandanten tätig werden, wo dieser sich (noch) nicht in der Lage sieht, die direkte Konfrontation mit dem Angeklagten oder dem Gericht zu suchen.

Zulässigkeit der Nebenklage


Grundsätzlich liegt das Anklagemonopol beim Staat. Die Staatsanwaltschaft erhebt die Anklage. Die Nebenklage in einem Strafverfahren, die das Opfer an die Seite der Staatsanwaltschaft stellt, ist eine Durchbrechung dieses Grundsatzes. Sie ist nach § 395 StPO möglich, wenn eines der dort genannten Delikte verwirklicht wurde. Das Opfer kann jedoch nicht selbst Anklage erheben, sondern sich nur einer bereits erhobenen Anklage der Staatsanwaltschaft anschließen. Wenn die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren nach § 170 II StPO eingestellt hat, kann der Verletzte dagegen Beschwerde einlegen. Es entscheidet dann die Generalstaatsanwaltschaft. Führt die Beschwerde zum Erfolg, wird Anklage erhoben und der Verletzte kann sich ihr anschließen. Gegen eine negative Bescheidung der Generalstaatsanwaltschaft steht dem Verletzten ein Klageerzwingungsantrag beim Oberlandesgericht zu. Das Oberlandesgericht kann gegenüber der Staatsanwaltschaft dann die Anklageerhebung anordnen, der sich der Nebenkläger anschließen kann.

Die häufigsten Straftaten im Rahmen von Nebenklagen sind (versuchter) Mord und Totschlag, Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung (Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und sexuelle Belästigung) sowie schwere Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit (etwa die Verstümmelung der weiblichen Genitalien). Bei anderen als in § 395 I StPO genannten Delikten ist der Anschluss bei manchen Delikten im Einzelfall möglich, wenn er aus besonderen Gründen geboten erscheint, zum Beispiel wegen schwerwiegender Folgen der Tat (§ 395 III StPO). Nebenklageberechtigt ist der unmittelbar Verletzte, wenn aber durch die Tat ein Mensch getötet wurde, geht dieses Recht auf seine Angehörigen über (§ 395 II StPO). Das sind die Eltern, Ehegatten, Lebenspartner, Kinder sowie Geschwister des Getöteten. Zusätzlich müssen die allgemeinen Prozessvoraussetzungen erfüllt sein. So muss das Opfer oder sein gesetzlicher Vertreter prozessfähig sein.

Nebenklägerin im Gerichtssaal

Verfahrensrechte des Nebenklägers

Der Nebenkläger hat eine Reihe von Rechten, die er selbst wahrnehmen oder von seinem Vertreter ausüben lassen kann. Sie ergeben sich aus § 397 StPO. Die wichtigsten Möglichkeiten zur Einflussnahme sind das Beweisantragsrecht, das Fragerecht und die Befugnis, Rechtsmittel einzulegen.

Die folgenden Verfahrensechte stehen im Rahmen einer Nebenklage zur Verfügung:

1. Akteneinsichtsrecht

Akteneinsicht bekommt regelmäßig nur ein Rechtsanwalt. Die Kenntnis aller Beweismittel ist aber unabdingbar, um die Hauptverhandlung optimal vorzubereiten und eine Strategie zu entwickeln. Deshalb ist die Nebenklagevertretung durch einen Anwalt von enormer Bedeutung.

2. Anwesenheitsrecht

Der Nebenkläger und sein anwaltlicher Vertreter haben das Recht, an jedem Tag der Hauptverhandlung während der gesamten Dauer anwesend zu sein. Nur so wird gewährleistet, dass der Verletzte die nachfolgenden Gestaltungsrechte tatsächlich wahrnehmen kann.

3. Beweisantragsrecht

Nebenkläger dürfen während der Hauptverhandlung Beweisanträge stellen. Das Strafprozessrecht kennt fünf zugelassene Beweismittel: Zeugen, Sachverständige, Augenschein, Urkunden und die Aussagen des Beschuldigten. Die Nebenklagevertretung kann etwa beantragen, bestimmte Personen als Zeugen zu vernehmen, Urkunden zu verlesen oder ein Sachverständigengutachten einzuholen. Da bei einer Sexualstraftat i.d.R. nur die verletzte Person und der Beschuldigte tatsächlich das Tatgeschehen kennen, bietet das Beweisantragsrecht hier eine große Chance, Sachverhalte vorzubringen, die von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht nicht oder nur unzureichend beachtet wurden.

4. Fragerecht

An alle Zeugen und Sachverständigen, die in der Hauptverhandlung gehört werden, sowie an den Angeklagten darf der Nebenkläger oder sein Rechtsbeistand Fragen stellen. So wird sichergestellt, dass alle Aspekte des Sachverhalts beleuchtet werden, selbst wenn die Staatsanwaltschaft oder das Gericht manche Umstände außer Acht lassen sollte. Ähnlich wie beim Beweisantragsrecht, bietet auch das Fragerecht die Chance für die verletzte Person, neue Aspekte oder andere Interpretationsmöglichkeiten in den Prozess einzubringen.

5. Erklärungsrecht

Nach jeder Beweiserhebung dürfen Nebenkläger eine Erklärung zum Stand des Verfahrens abgeben und ihre Sicht auf die bisherigen Erkenntnisse darlegen.

6. Beanstandungsrecht

Eine wichtige Befugnis des Nebenklägers ist auch die Möglichkeit, Anordnungen des Gerichts zu beanstanden sowie unzulässige Fragen zu monieren. Bei Sexualdelikten kann die Nebenklagevertretung seinen Mandanten durch Beanstandung beispielsweise vor wiederholenden retraumatisierenden Fragen schützen.

7. Ablehnungsrecht

Mit eigenen Befangenheitsanträgen darf die Nebenklage selbstständig die Ablehnung eines Richters oder Sachverständigen verlangen. Das Ablehnungsrecht kann bei Sexualdelikten ein wichtiges Instrument sein, wenn etwa eine einseitige Tendenz beim Richter oder bei Sachverständigen zu erkennen ist.

8. Schlussplädoyer

Nach dem Ende der Beweisaufnahme darf der Nebenkläger oder sein Vertreter ebenso wie die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung einen eigenen Schlussvortrag halten. So kann sichergestellt werden, dass das Gericht auch die Sichtweise des Opfers zur Kenntnis nimmt und bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt. Das Schlussplädoyer hat zudem einen wichtigen psychologischen Effekt für Geschädigte von Sexualstraftaten, da sie – oder ihr anwaltlicher Vertreter – als „Stimme des Opfers“ – damit ihre Deutungshoheit über das Geschehen wahren.

9. Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit

In bestimmten Fällen kann der Nebenkläger vorübergehend den Ausschluss der Öffentlichkeit beantragen, beispielsweise wenn Jugendliche unter 18 Jahren vernommen werden oder wenn das Opfer einer Sexualstraftat seine Aussage macht. Dieses Recht dient dem Schutz der Privatsphäre der aussagenden Personen. Opfer von Sexualstraftaten werden durch den Ausschluss der Öffentlichkeit davor bewahrt, eine sowieso bereits sehr belastende Situation vor den Augen einer größeren Zuhörerschaft durchleben zu müssen.

10. Antrag auf Ausschluss des Angeklagten

Wenn zu befürchten ist, dass ein Zeuge oder der Verletzte in Gegenwart des Angeklagten nicht die Wahrheit sagen wird, kann der Nebenkläger auch beantragen, den Angeklagten für die Dauer der Vernehmung auszuschließen. Dies gilt ebenso, wenn eine Person unter 18 Jahren vernommen werden soll, auf deren Wohl sich die Anwesenheit des Angeklagten erheblich nachteilig auswirken könnte.

11. Befugnis zur Einlegung von Rechtsmitteln

Schließlich darf die Nebenklage selbstständig Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen; sie kann in Berufung oder in Revision gehen.

So kann ein spezialisierter Rechtsanwalt helfen

Als Nebenkläger brauchen Sie einen Rechtsanwalt, der Ihnen Akteneinsicht verschaffen kann. Denn ohne Kenntnis der Ermittlungsergebnisse ist eine wirksame Interessenvertretung in der Hauptverhandlung nicht möglich. Außerdem kann Ihr Anwalt die materielle Rechtslage richtig einschätzen und Ihnen erklären, nach welchen Tatbeständen eine Handlung strafbar ist. Das Wichtigste für eine erfolgreiche Nebenklage bei Sexualstraftaten ist aber, dass Sie alle Ihre Gestaltungsrechte in der Hauptverhandlung ausschöpfen. Um den Gang des Verfahrens zu beeinflussen, brauchen Sie die Unterstützung eines erfahrenen Anwalts für Strafrecht. Dieser kann sofort einspringen, wenn die Staatsanwaltschaft gebotene Anträge unterlässt oder wichtige Beweismittel übersieht. Bei vielen Anträgen sind Formerfordernisse und Fristen zu beachten, die nur einem Experten für Strafverfahrensrecht geläufig sind.

Wir vertreten als Fachanwälte für Strafrecht seit vielen Jahren sowohl Täter als auch Opfer in Strafprozessen. Deshalb verfügen wir über fundiertes Fachwissen und kennen uns mit allen Verfahrensabläufen aus. Wenn Sie Opfer einer Straftat geworden sind, vertrauen Sie unserer Expertise und beauftragen Sie uns mit Ihrer VertretungWir setzen uns bestmöglich für Ihre Interessen ein und sorgen dafür, dass Sie vor Gericht Gehör finden.

FAQ

In welchen Fällen kann es eine Nebenklage geben?

Opfer von Gewalt- und Sexualdelikten haben die Möglichkeit, als Nebenkläger aktiv an einem Strafverfahren mitzuwirken. Somit findet man Nebenklagen in Fällen von Mord und Totschlag (bei denen Angehörige als Nebenkläger auftreten können), bei Sexualstraftaten wie Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und sexuelle Belästigung und bei schweren Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit. Auch wenn eine Straftat anderweitig schwere Konsequenzen für das Opfer nach sich zieht, kann in Ausnahmefällen eine Nebenklage zugelassen werden.

Warum ist eine Nebenklage in einem Sexualstrafverfahren wichtig?

Welche Rechte haben Nebenkläger bzw. Nebenklagevertreter?

Warum sollte ein Anwalt als Nebenklagevertreter eingeschaltet werden?

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