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Frist zur Anbringung von Beweisanträgen

Dass den Zuspätkommenden das Leben bestraft, ist eine Binse – eine Binse freilich, die das Beweisantragsrecht der Strafprozessordnung im Grundsatz nicht teilt. Die dort seit 1877 in § 245 Abs. 1 RStPO (= § 246 Abs. 1 StPO) normierte Regel, nach der eine Beweiserhebung nicht wegen Verspätung abgelehnt werden darf, gilt noch immer – allerdings mit einschneidenden, vermeintlichem Effektivierungs- und Modernisierungsdenken geschuldeten Modifikationen. Eine davon ist die im August 2017 in § 244 Abs. 6 Satz 3 bis 5 StPO eingefügte Möglichkeit des Vorsitzenden, den Verfahrensbeteiligten nach Abschluss der – das ist der Schlüsselbegriff – „von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme“ eine Beweisantragsfrist zu setzen, wobei nach Fristablauf gestellte Anträge (zwar nicht schon deshalb abgelehnt, aber immerhin) grundsätzlich im Urteil beschieden werden können.

Wann nun die „von Amts wegen vorgesehene Beweisaufnahme“ abgeschlossen ist, konkret: ob es dafür auch einer Erledigung bereits gestellter Beweisanträge bedarf, hat Anfang des Jahres der 6. Strafsenat, auf ein Urteil des Landgerichts Stade hin, in einem in der aktuellen Ausgabe der NStZ veröffentlichten Beschluss entschieden.

In seiner Besprechung der Entscheidung (NStZ 2024, 444 ff.) denkt unser Partner Dr. Yves Georg die Anwendung des Rechtsbegriffs – über den vom Bundesgerichtshof in Karlsruhe entschiedenen Fall hinausgreifend – für verschiedene Konstellationen durch und tritt dabei für eine stark am Wortlaut orientierte und dementsprechend besonders strenge Auslegung ein. Sein Fazit: Wünschenswerter wäre, wenn das Fristenmodell – und zwar so scharf, wie es nun einmal im Gesetz seinen Niederschlag gefunden hat – so bald wie möglich auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand des rechtsstaatlichen Fairnessgebots und des Gehörsgrundrechts gestellt – oder aber schlicht vom Gesetzgeber überdacht und auf Bonsaigröße zurechtgestutzt – würde.

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