Um Straftaten effizient aufklären zu können, dürfen Polizeibehörden auf zahlreiche strafprozessuale Maßnahmen zurückgreifen. Hierunter fallen auch erkennungsdienstliche Maßnahmen (ED-Maßnahmen), welche die Identität von Verdächtigen oder Beschuldigten feststellen sollen. Wer im Rahmen eines Strafverfahrens oder aus sonstigen Gründen eine Vorladung zu einer ED-Behandlung erhält, weiß jedoch oftmals nicht, was dies bedeutet.
Eine erkennungsdienstliche Behandlung kann nicht nur durch die Landes- und Bundespolizei, sondern auch von Zoll- und Ausländerbehörden angeordnet und durchgeführt werden. Im nachfolgenden Beitrag wird erläutert, wie Sie sich in einer solchen Situation zu verhalten haben und worauf Sie besonders achten sollten.
Was sind erkennungsdienstliche Maßnahmen?
Der Begriff der erkennungsdienstlichen Maßnahmen beschreibt die Erfassung und Speicherung personenbezogener Daten. Diese können mitunter im Rahmen der Strafverfolgung erhoben werden. Art und Umfang der Maßnahmen richtet sich hierbei nach der jeweiligen Rechtsgrundlage.
Erkennungsdienstliche Maßnahmen können beispielsweise sein:
- Feststellung von Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnanschrift
- Anfertigung von Lichtbildern
- Abnahme von Finger- oder Handflächenabdrücken
- Dokumentation besonderer Merkmale (z.B. Tätowierungen oder Narben)
- Messung von Körpergröße und Gewicht
- Detaillierte Personenbeschreibung
- Stimmaufnahme
Gesetzliche Grundlagen
Sowohl im Bundesrecht als auch in Landesgesetzen finden sich Rechtsgrundlagen für die Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung.
ED-Behandlung nach StPO:
Der § 81b StPO bietet zwei Alternativen zur erkennungsdienstlichen Behandlung:
- § 81b Abs. 1 StPO 1. Alternative umfasst dabei den Erkennungsdienst zur Durchführung eines Strafverfahrens. Dabei werden die personenbezogenen Daten zur Sicherung des Strafverfahrens genutzt.
- Gemäß § 81b Abs. 1 StPO 2. Alternative können personenbezogene Daten auch zum Zwecke des Erkennungsdienstes erfasst werden. Dies stellt eine präventive Maßnahme zur Erforschung und Aufklärung weiterer Straftaten dar.
ED-Behandlung nach AufenthG:
Für ausländerrechtliche Sachverhalte regelt der § 49 AufenthG die Voraussetzungen zur Durchführung erkennungsdienstlicher Behandlungen.
AsylG:
Für Ausländer, welche einen Asylantrag im Bundesgebiet stellen, bestimmt der § 16 AsylG Art und Umfang der durchzuführenden erkennungsdienstlichen Behandlung.
Sonstige Rechtsnormen:
Daneben erlauben auch landesgesetzliche Vorschriften, die Polizei- und Strafvollzugsgesetze der Länder, die Durchführung erkennungsdienstlicher Behandlungen.
Zweck und Bedeutung des Erkennungsdienstes im Strafrecht
Der Zweck der erkennungsdienstlichen Behandlung hängt hauptsächlich von der jeweiligen Rechtsnorm ab. Der Schwerpunkt des Erkennungsdienstes liegt jedoch im Strafrecht.
Bei § 81b Abs. 1 StPO 1. Alternative dient die Erfassung personenbezogener Daten der Sicherung des Strafverfahrens selbst und kann damit nur beim Beschuldigten durchgeführt werden. Sie soll die Schuld oder Unschuld des Beschuldigten in einem gegen ihn anhängigen Strafverfahren beweisen. Voraussetzung dafür ist, dass der konkrete Verdacht einer Beteiligung an einer Straftat besteht. Hierfür bedarf es tatsächlicher Anhaltspunkte, vage Vermutungen reichen hingegen nicht aus. Außerdem muss die Maßnahme mit Blick auf die Sachaufklärungspflicht notwendig sein.
Die 2. Alternative des § 81b Abs. 1 StPO umfasst denselben Datenumfang, dient aber präventiv-polizeilichen Zwecken. Wenngleich sich die Regelung in der StPO befindet, soll die 2. Alternative die erleichterte Strafverfolgung weiterer Straftaten ermöglichen. Durch die Erfassung der personenbezogenen Daten können beispielsweise bei Ermittlungen in Strafsachen Spuren mit den Datenbanken abgeglichen werden. Voraussetzungen für eine erkennungsdienstliche Behandlung sind, dass ein Tatverdacht und nach kriminalistischer Erfahrung Anhaltspunkte für Wiederholungsgefahr bestehen und die Maßnahme verhältnismäßig ist.
Für das Kriterium der Notwendigkeit muss die Art und Schwere der Tat, die konkrete Begehungsweise sowie die Persönlichkeit des Betroffenen berücksichtigt werden.
Die Daten spielen im Ermittlungsverfahren eine wesentliche Rolle. Insbesondere bei der Auswertung von am Tatort gesicherten Spuren können personenbezogene Daten dazu beitragen, den Zusammenhang zwischen der Spur und dem Beschuldigten herzustellen.
Fingerabdrücke können, da sie einzigartig und unveränderlich sind, gravierende Auswirkungen auf das Strafverfahren haben. Vor diesem Hintergrund ist ihre Nutzung indes im Einzelfall anwaltlich zu prüfen.
Ablauf einer erkennungsdienstlichen Behandlung
Eine ED-Behandlung setzt zunächst eine rechtliche Grundlage voraus. Ist diese gegeben, kann durch eine zuständige Behörde die erkennungsdienstliche Behandlung angeordnet und gegebenenfalls auch gegen den Willen des Betroffenen durchgeführt werden.
Vorladung durch Polizei oder Staatsanwaltschaft
Es kann gegebenenfalls eine polizeiliche Vorführung erfolgen, wenn Sie nicht erscheinen. In jedem Fall lohnt es sich, die zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe prüfen zu lassen.
Im Strafverfahren kann gegen Maßnahmen der Staatsanwaltschaft und der Polizei das Gericht angerufen werden. Erfolgt die Anordnung von Maßnahmen für erkennungsdienstliche Zwecke hat ein Widerspruch in der Regel aufschiebende Wirkung, sodass in diesem Fall die Maßnahmen nicht vollzogen werden dürfen. Die aufschiebende Wirkung entfällt allerdings, wenn die sofortige Vollziehung angeordnet wird.
Damit Ihre Rechte bei einer Vorladung bestmöglich gewahrt werden, empfiehlt sich in jedem Fall ein Verteidiger, welcher Sie vor Ort unterstützt und auf rechtlicher Ebene schützt.
Belehrung und Durchführung der ED-Bhandlung
Der erkennungsdienstlichen Behandlung geht zunächst die Belehrung der Person voraus, deren Daten erhoben werden sollen. Diese umfasst mitunter die Rechtsgrundlage, eine Rechtsbehelfsbelehrung sowie den Umfang der durchzuführenden Maßnahmen.
Im Anschluss erfolgt die eigentliche ED-Behandlung. Diese variiert hinsichtliches ihres Umfangs je nach Rechtsgrundlage. Üblich ist die Erfassung der Fingerabdrücke sowie die Anfertigung von Lichtbildern. Gibt es markante Körperstellen wie etwa Tattoos, Piercings oder Narben, können diese ebenfalls dokumentiert werden. Weiterhin dürfen Fotos angefertigt werden, wenn es einen Zeugen gibt, welcher den Täter wiedererkennen könnte.
Hierbei gilt aber auch, dass Sie lediglich zur Duldung der Maßnahmen verpflichtet sind, nicht aber zur aktiven Mitwirkung.
Schutz von Daten und Persönlichkeitsrechten
Die Erfassung und Speicherung persönlicher Daten in den Datenbanken zahlreicher Behörden stellt einen erheblichen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung des Einzelnen dar.
Wie lange Daten gespeichert werden, hängt etwa von der Rechtsgrundlage der zugrundeliegenden erkennungsdienstlichen Behandlung, aber auch von anderen Faktoren ab. Wird beispielsweise das Verfahren eingestellt, auf welches die erkennungsdienstlichen Maßnahmen beruhen, ist eine weitere Speicherung der Daten nicht mehr erforderlich.
Ob und wann die Möglichkeit einer Löschung der während einer erkennungsdienstlichen Behandlung erhobenen Daten besteht, hängt vom Einzelfall ab. Ein Anwalt kann für Sie prüfen, ab wann eine Löschung beantragt werden kann.
Weiterhin besteht die Möglichkeit der Einsichtnahme in die angelegten Datensätze. Denn nicht selten übersteigt der Umfang der tatsächlich durchgeführten Maßnahmen das, was nach dem Gesetz vorgesehen und rechtmäßig ist.
Kritik und Kontroversen
Das Erfordernis des Erkennungsdienstes und dessen flächendeckende Anwendung sind längst nicht unumstritten. Den Strafverfolgungsbehörden bieten sie eine Möglichkeit, an umfassende Daten zahlreicher Personen zu gelangen und diese langfristig in Datenbanken zu speichern und bei Bedarf wieder abzurufen.
Für den Bürger stellen diese Maßnahmen jedoch nicht unerhebliche Eingriffe in dessen Grundrechte dar. Nicht selten werden erkennungsdienstliche Maßnahmen zu Unrecht oder über die Maße der gesetzlichen Befugnisse hinaus durchgeführt.
Gesammelte personenbezogene Daten stellen vor Gericht oftmals aussagekräftige Beweise dar. Ein Missbrauch oder Irrtum bei der Zuweisung gefundener Spuren ist dabei keineswegs ausgeschlossen. Nicht zuletzt aus diesem Grund sollten bei der Erfassung personenbezogener Daten die zur Verfügungs stehenden Rechtsbehelfe umfassend geprüft werden.
Verhaltenstipps
Wenn eine Anordnung zur erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 81b StPO ergeht, ist es zunächst empfehlenswert, sich zur Sache vorerst nicht zu äußern. Dies wird im Strafverfahren nicht negativ ausgelegt. Zu einem späteren Zeitpunkt kann mit anwaltlichem Beistand eine Aussage abgegeben werden. Damit Ihre Rechte vor Ort bestmöglich gewahrt werden, sollte Sie ein Verteidiger zum Ladungstermin begleiten.
Für die angeordneten ED-Maßnahmen selbst ist eine aktive Mitwirkung nicht verpflichtend, sie müssen aber geduldet werden. Wird eine Maßnahme verweigert, kann sie gegebenenfalls auch mithilfe von unmittelbarem Zwang durchgeführt werden. In jedem Fall sollte bei einer ergangenen Anordnung ein Rechtsanwalt für Strafrecht konsultiert werden. Dieser kann die entsprechenden Rechtsbehelfe prüfen und sinnvoll auf die Situation reagieren.
Auch bei Anordnung der sofortigen Vollziehung bei Maßnahmen zu erkennungsdienstlichen Zwecken besteht die Möglichkeit, Rechtsbehelfe einzulegen. Es kann ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beim Gericht gestellt werden.
Ist eine ED-Behandlung bereits erfolgt, lohnt sich unter Umständen eine nachträgliche Prüfung der zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe. Dies führt nicht selten dazu, dass die Daten im Nachgang gelöscht werden.
Fazit
Durch erkennungsdienstliche Maßnahmen können umfassende Profile von Betroffenen angefertigt und auf teilweise unabsehbare Zeit in Datenbanken gespeichert werden. Die entsprechend tiefgreifenden Eingriffe in Grundrechte werden durch die Betroffenen oftmals stillschweigend hingenommen.
Da die Grenzen einer Rechtsgrundlage überschritten werden können, empfiehlt sich die Prüfung durch einen Rechtsanwalt für Strafrecht. Sollten Sie eine Vorladung zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen erhalten haben, kontaktieren Sie uns umgehend, um rechtzeitig geeignete Schritte einleiten zu können.
Sind Sie bereits erkennungsdienstlich behandelt worden? Auch in diesem Fall lohnt sich eine Prüfung durch einen Rechtsanwalt. Nicht selten sind im Nachgang eingelegte Rechtsbehelfe erfolgreich. Ein Anwalt schützt Sie vor ungewollten Konsequenzen und gewährleistet eine Einhaltung Ihrer Rechte.